14. März 2024Dr. Dierk Bredemeyer
(Beschl. v. 17.01.2024, Az. XII ZB 88/23)
Ab dem 01.01.2022 gilt bundesweit bei den Gerichten die Pflicht, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen nur noch als elektronisches Dokument einzureichen. Eine zentrale Rolle nehmen hierbei das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) und das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) als elektronische Kommunikationsinfrastruktur für die verschlüsselte Übertragung von Dokumenten und Akten zwischen authentifizierten Teilnehmern ein. Sie sind heute in der prozessualen und anwaltlichen Praxis angekommen und gelten als Handwerkszeug, dessen Beherrschung zur anwaltlichen Arbeit gehört. Wie zu analogen Zeiten gelten bei der Nutzung von beA anwaltliche Sorgfaltsanforderungen, die der BGH mit seiner Rechtsprechung laufend konturiert. Die Erfüllung dieser Sorgfaltspflichtanforderungen ist entscheidend für Fragen der Rechtsmittelausschöpfung oder der Anwaltshaftung.
So stellte der BGH bereits fest, dass die Sicherstellung des Versands über beA von Prozessbevollmächtigten verlangt, anhand der automatisierten Empfangsbestätigung des Gerichts zu prüfen, ob der Versand erfolgreich war. Ein bloßes Vorliegen des Übermittlungsprotokolls hingegen verschaffe – so der BGH – keine erforderliche Kenntnis über den erfolgreichen Versand.
Weiter stellte der BGH in ergänzender Rechtsprechung fest, dass sich die Ausgangskontrolle eines Schriftsatzes an das Gericht nicht auf den Erhalt der Bestätigung durch das Gericht beschränkt: vielmehr müssen Versender auch prüfen, ob der Schriftsatz, der einer Nachricht angehängt wurden, mitübersendet worden ist und ob es sich bei diesem um den Schriftsatz handelt,
der versendet werden sollte.
Neben weiteren festgestellten Sorgfaltsanforderungen wie jene, die sich auf die Schriftsatzbenennung oder die Empfängerauswahl beziehen, war insbesondere der Umfang der Kenntnisnahme- und Kontrollpflicht des Postfachs (§ 31 a VI Hs. 2 BRAO) Gegenstand weiterer Urteile. Vergleichbar mit der Durchsicht der Briefpost wurde so auch für beA angenommen, dass der Posteingang täglich – also einmal am Tag – zu prüfen ist, wobei konkrete Anhaltspunkte für Nachrichteneingänge eine erhöhte – mehrmals tägliche – Kontrolldichte begründen können.
Zuletzt stellte der BGH klar, dass Anwälte auch eine Aktualisierungsobliegenheit für beA trifft, womit er das vorausgesetzte Mindestmaß an technischen Fertigkeiten bei Anwälten im Umgang mit beA ausweitet und seine bisherige, eher strenge Rechtsprechung zur Auslegung der beA-Regeln bei technischen Störungen bestätigt.
Im zugrundeliegenden Fall hatte eine Anwältin infolge technischer Probleme mit ihrem beA eine Beschwerdebegründung innerhalb der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist nicht über ihr beA, sondern schriftlich per Telefax eingereicht. Eine solche Ersatzeinreichung ist nach § 130d S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung tatsächlich aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist und dies auch glaubhaft gemacht wurde. Voraussetzung ist mit der Glaubhaftmachung, dass nach dem Vorbringen der Antragstellerin die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass diese Unmöglichkeit auf technischen und nicht auf in der Person der Antragstellerin liegenden Gründen beruht.
Im konkreten Fall sah der BGH Veranlassung für die Annahme, dass die von der Antragstellerin behauptete technische Störung auf ein lückenhaftes technisches Verständnis der Anwenderin und auf ein fehlendes Update der beA-Software zurückzuführen sein könnte.
Der BGH führte aus, dass professionelle Einreicher durch die Ausnahmeregel des § 130d S 2 ZPO nicht von der Notwendigkeit entbunden werden, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten. Dazu gehöre nicht nur eine entsprechende (Hardware), sondern auch die für den Betrieb des Endgeräts und die Einreichung elektronischer Dokumente jeweils erforderliche Software in der jeweils aktuellen Version.