24. März 2023Dr. Dierk Bredemeyer

Mikrotargeting: Unionsverordnungsentwurf für Transparenz politischer Werbung

Bericht und Entwurf für eine Verordnung über Transparenz und Targeting politischer Werbung des Europäischen Parlaments

Schon länger ist bekannt, dass Parteien umfassende Daten über Wähler für politische Kampagnen in den sozialen Netzwerken nutzen. 

Spätestens seit der US-Wahl 2016 oder dem Brexit-Referendum werden  kommerzieller Datenmissbrauch und die Macht der Tech-Plattformen bei politischen Wahlen immer wieder im Fokus von Debatten über digitale Kommunikation und Demokratie diskutiert.

Besondere Rolle spielen dabei datenbetriebene Technologien, wie das sog. Targeting. Darunter versteht man die zielgerichtete Anpassung politischer Werbebotschaften auf unterschiedlichen sozialen Netzwerken an bestimmte Personengruppen, welche auf Grundlage der Auswertung personenbezogener Daten als besonders empfänglich eingeschätzt werden.

Auf Grundlage von Datenanalysen jedes Online-Verhaltens wird dabei entschieden, welche Gruppen mit welchen Botschaften auf welchen Kanälen angesprochen werden.

Am 21.03.2023 reichte die internationale gemeinnützige Datenschutzorganisation NOYB gemeinsam mit mehreren deutschen Staatsbürgern Beschwerde gegen die im Bundestag vertretenen Parteien bei den zuständigen Datenschutzbeauftragten des Landes Berlin ein.

Den Parteien wird vorgeworfen, bei ihren Werbekampagnen für den Bundestagswahlkampf 2021 Mikrotargeting betrieben zu haben, um Wähler zu gewinnen.

Grundsätzlich sind nach Art. 9 Datenschutz-Grundverordnung (DSG-VO) die politischen Meinungen besonders geschützt und dürfen nicht Grundlage einer solchen gezielten Werbeansprache sein. Die Parteien könnten damit also gegen europäische Datenschutzregeln verstoßen haben.

Problematisch ist allerdings, dass „Mikrotargeting“ oder „Targeting“ kein feststehender Terminus innerhalb der DSG-VO ist. Ob die Beschwerde Erfolg haben wird, oder ob es einer hinreichenden Rechtsgrundlage innerhalb der DSG-VO fehlt, bleibt deshalb abzuwarten.

Nicht nur die Datenschutzorganisation NOYB sieht sich im politischen Mikrotargeting durch die exzessive Datenerfassung in der Privatsphäre und Autonomie bedroht. Auch auf europäischer Ebene wurden Forderungen nach einem klaren Verbot von politischen Mikrotargeting und der Konkretisierung dieser Ungenauigkeit lauter. 

Seit Ende 2021 liegt ein Kommissionsentwurf für eine „Verordnung über Transparenz und Targeting politischer Werbung“ vor. Nun hat auch das Europäische Parlament seinen Bericht und Entwurf über eine solche Verordnung angenommen, wodurch der Trilog der an der Gesetzgebung beteiligten Organe beginnt.

Mit Blick auf die im Frühjahr 2024 anstehenden Wahlen zum EU-Parlament, hat sich die Kommission mit ihrem Entwurf zum Ziel gesetzt, Transparenzregeln für politische Werbung zu harmonisieren und dadurch spezielle Datenschutzregeln für das Targeting zu schaffen.

Nach dem Kommissionsentwurf umfasst der räumliche Anwendungsbereich neben in der EU ausgearbeiteter, platzierter, geförderter, veröffentlichter oder verbreiteter politischer Werbung solche, die sich an Individuen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten richtet (Art. 1 Abs. 2 VO-E).

Sachlich fallen unter politische Werbung erstens Botschaften durch oder für einen politischen Akteur (abschließend aufgelistet in Art. 2 Nr. 4 VO-E) oder zweitens Botschaften mit der Eignung, das Ergebnis einer Wahl oder eines Referendums, einen Rechtsetzungs- oder Regulierungsprozess oder ein Abstimmungsverhalten zu beeinflussen.

Neben einer allgemeinen Transparenzpflicht (Art. 4 VO-E) sieht der Entwurf zudem Vorgaben zur Identifizierung politischer Werbung (Art. 5 VO-E), Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten (Art. 6 VO-E) und die Pflicht zur Einrichtung eines Hinweisverfahrens bei Verstößen einzelner Anzeigen gegen den VO-E (Art. 9 VO-E) vor.

Mittels der zentralen Transparenzvorschrift des Art. 7 VO-E soll nicht nur eine deutliche Kennzeichnung politischer Werbung vorliegen (lit. a), es soll zudem die Identität des Sponsors und der Einrichtung, die die Anzeige „letztlich kontrolliert“ kenntlich gemacht werden (lit. b). Dies soll ermöglichen „den breiteren Kontext der politischen Anzeige und ihre Ziele zu verstehen, oder einen klaren Hinweis darauf geben, wo sie leicht abgerufen werden kann“ (lit. c)

Die Verordnung der EU-Institutionen bietet für den Bereich der Transparenz und des Targetings politischer Werbung eine ambitionierte Antwort auf Herausforderungen durch politisches Targeting und damit verbundene Entwicklungen der politischen Kommunikation. Ob sie letztlich ausreicht, um das Spannungsfeld zwischen Datenschutz, fairem demokratischem Prozess und Meinungs- und Informationsfreiheit zu lösen, wird sich zeigen.