22. Juli 2022Dr. Dierk Bredemeyer

LSG Bayern zum Höchstbetrag der Teilrente nach § 42 ABS. 2 SGB VI

LSG Bayern, Urteil vom 14.09.2021 - L 6 R 199/19

Im September 2021 wurde vom Bayrischen Landessozialgericht ein Urteil gesprochen, das für viele Pflegende Angehörige sehr positive Konsequenzen mitsichbringt. Es ermöglicht Rentnern, die neben dem Bezug einer Altersrente einen Angehörigen pflegen, ihre Rente zu erhöhen.

Grund dafür ist die gerichtliche Bestätigung eines Anspruchs auf die Gewährung von Teilrente nach § 42 Abs. 2 SGB IV bis zu einer Höhe von 99,99% der Vollrente.

Hintergrund ist folgender: 

Wer seine Erwerbstätigkeit vollumfänglich aufgibt, um eine andere Person zu Pflegen und dabei die eigene, (volle) Rente vorzeitig in Anspruch nimmt, muss mit Abschlägen für den längeren Bezug der Rente durch die vorzeitige Inanspruchnahme rechnen. Diese Abschläge, 0,3 % des Bezugs, bleiben Lebenslang erhalten und stellen einen enormen finanziellen Nachteil dar.

Mit der Wahl einer Teilrente können Pflegende jedoch erwirken, dass die Pflegekasse auch nachdem die Regelaltersgrenze erreicht wurde, weiterhin Beiträge zur Rentenversicherung zahlt, welche sich ab dem 01. Juli des Folgejahres erhöhend auf die Rentenzahlung auswirken.

Die im Juli 2017 durch das „Flexirenten­gesetzes“ (Gesetz zur Flexi­bilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand) neu-eingeführte Teilrente ermöglicht es, die Erwerbstätigkeit zu reduzieren, ohne dabei vollständig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und die eigene Rente zum Teil in Anspruch zu nehmen. Das durch das Wegfallen von Arbeitszeit reduzierte Gehalt wird dabei durch die Inanspruchnahme der Teilrente ausgeglichen. Dadurch können selbstbestimmte Erwerbstätigkeit und Rentenbezug kombiniert und individuelle Bedürfnisse berücksichtigt werden. Auch ein Krankengeldanspruch bleibt bei der Inanspruchnahme einer Teilrente erhalten.

Damit sich die Pflegeleistung rentensteigernd auswirkt, muss eine Teilrente in Anspruch genommen werden. Diese muss gem. § 34 Abs. 3e SGB IV mindestens 10 % der Vollrente betragen. Bis zu welchem Prozentsatz die Vollrente mindestens abgesenkt werden muss, um zur Teilrente zu werden, war bis vor kurzem fraglich. 

Nun musste sich das LSG Bayern mit der Frage beschäftigen: Eine Klägerin hatte fristgerecht die Gewährung der höchstmöglichen Teilrente beantragt, woraufhin eine Teilrente von 99% bewilligt wurde. Mit einem Widerspruch begehrte die Klägerin daraufhin eine Teilrente in Höhe von 99,99%. Das SG München gab in der hiergegen gerichteten Klage der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Gewährung der beantragten Teilrente.

Das LSG Bayern hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Begründet wurde das Urteil damit, dass weder der Wortlaut des § 42 SGB VI noch die Gesetzesbegründung eine ausdrückliche Prozentregelung für den Höchstsatz der Teilrente erhalten:

 „Einer Bestimmung des prozentualen Anteils auf zwei Dezimalstellen genau stehen weder der Wortlaut […] noch sonstige Bestimmungen des SGB VI entgegen“.

Eine Teilrente liegt somit immer vor, wenn der konkrete Eurobetrag der Rente unter dem Betrag der Vollrente liegt. 

Das Gericht wies außerdem auf den allgemeinen Berechnungsgrundsatz nach § 121 Abs. 1 SGB VI hin, wonach Berechnungen in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich auf vier Dezimalstellen genau vorzunehmen sind, die Berechnung von Geldbeträgen jedoch nach § 123 Abs. 1 SGB VI auf zwei Dezimalstellen genau erfolgen.

Die neue Berechnung mit zwei Dezimalzahlen ist besonders Praxisrelevant. Bereits bei der Teilrentenberechnung eines durchschnittlichen Mannes im Jahre 2021 (Rente ca. 1.179 Euro pro Monat) macht der Unterschied zwischen 99% der Vollrente und 99,99% einen Unterschied von mehr als 11,67 Euro.

Ob auch andere Landessozialgerichte und das Bundessozialgericht sich der Rechtsprechung anschließen bleibt abzuwarten.

Auf einen Blick

LSG Bayern: Höchstbetrag der Teilrente von 99,99% möglich (gem. § 42 Abs. 2 SGB VI);
Auswirkungen auf pflegende Rentner enorm: sogar nach Erreichen des Regelrentenalters ist bei Teilrente durch Pflegezeiten weitere Rentensteigerung möglich