16. Oktober 2021Dr. Dierk Bredemeyer

BAG-Urteil: Betriebsrisiko bei behördlicher Schließung: Kein Lohnanspruch bei „Corona-Schließungen“

Urt. v. 13.10.2021 AZ 5 AZR 211/21

Bei einer Geschäftsschließung, welche aufgrund behördlicher Anordnung zur Pandemie-Bekämpfung erfolgt, liegt das Geschäftsrisiko nicht beim Arbeitgeber, so das BAG.

Im ersten Lockdown im April 2020 musste der Einzelhandel behördlich weitgehend schließen. Darunter auch ein Laden der Nähmaschinen und Zubehör anbot. Eine Minijobberin, die in diesem Laden als Verkäuferin geringfügig tätig war, wurde vom Arbeitgeber nicht mehr gebraucht. Da sie aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung nicht die Berechtigung für Kurzarbeit erhielt, bekam sie keine Vergütung. Ihr Gehalt von 432 Euro netto, forderte sie vor Gericht ein.

Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht: Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind Vertragspartner nach § 611a BGB. Der Arbeitnehmer wird tätig und der Arbeitgeber ist zur Zahlung der ausgemachten Vergütung verpflichtet. Deshalb gilt der Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Im Falle der klagenden Arbeitnehmerin aus Niedersachsen würde der Lohnanspruch also nach diesem Grundsatz entfallen.
Es gibt jedoch eine Ausnahme: Für Risiken im Betrieb ist immer der Arbeitgeber verantwortlich, da dieser auch den Gewinn des Unternehmens einbehält (§ 615 S. 3 BGB). Bei solchem Betriebsausfall, muss die geltende Vergütung auch ohne Arbeit ausgezahlt werden, da Arbeitsausfall infolge der Betriebsrisikolehre dem Arbeitgeber wertend zuzurechnen ist. Hier gilt: „Lohn ohne Arbeit“.

Die Minijobberin sah die Schließung des Ladens durch die Behörden als Betriebsrisiko, welches der Arbeitgeber zu tragen habe. des Weiteren äußerte sie, sie sei „arbeitsfähig und -willig gewesen“. Der Arbeitgeber beantragte Klageabweisung und sprach stattdessen von einem allgemeinen Lebensrisiko, welches für jeden unkalkulierbar und in gleichermaßen zu tragen sei.

Die Vorinstanzen, Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht, entschieden zugunsten der Arbeitnehmerin und sprachen ihr den Lohn zu. Sie urteilten, dass trotz der neuartigen Pandemiesituation und den, von den Behörden ausgehenden, Schließungen der Unternehmer das Risiko zu tragen habe.

Das Bundesarbeitsgericht entschied aber anders und gab dem Arbeitgeber recht:
„Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten (…)„Lockdowns“ (…) vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen.“ (Pressemitteilung Nr. 31/21 des BAG). Das BAG begründete das Urteil damit, dass eine Betriebsschließung als Eindämmungsmaßnahme die gesamte Gesellschaft betreffe und somit das Risiko nicht dem Arbeitgeber, sondern die gesamte Gesellschaft belaste.

Auf einen Blick

Betriebsrisikolehre, Behördlicher Corona-Lockdown: Geschäftsrisiko nicht beim Arbeitgeber