24. März 2022Dr. Dierk Bredemeyer

LAG Mainz: Heimliche Tonaufnahme bei Vorgesetztengespräch ist nicht immer ein außerordentlicher Kündigungsgrund

(LAG Mainz, Urt. v. 19.11.2021 - Az.: 2 Sa 40/21)

Durch das Filmen oder das Aufnehmen von privaten Gesprächen im Arbeitsbereich, werden arbeitsvertragliche Rücksichtsnahmepflichten verletzt. Eine Kündigung muss deswegen trotzdem noch nicht wirksam sein, so das LAG Mainz. 

Im konkreten Fall nahm ein Arbeitnehmer ein Streitgespräch mit seinem Vorgesetzten ohne dessen Wissen mit dem Handy als Tonaufnahme auf. Später wurde der Angestellte gekündigt, wobei die Tonaufnahme als besonders wichtiger Grund der Kündigung aufgeführt wurde.

Hintergrund des Falles war ein Vorfall am Arbeitsplatz: Der angestellte Kassierer, welcher seit 17 Jahren im selben Unternehmen arbeitete, hatte an einem Arbeitstag seinen Arbeitsplatz 15 Minuten früher verlassen und kam somit seinen vertragliche Pflichten nicht vollumfänglich nach. Am nächsten Tag kam es diesbezüglich zu Streitigkeiten mit anderen Angestellten und daraufhin zu einem Gespräch mit dem Ladenbesitzer und Vorgesetzten des Kassierers. Nachdem sich auch dieses Gespräch zu einem Streit entwickelte, nahm der Angestellte das Gespräch als Audioaufnahme mit seinem Handy auf.

Gegenüber dem Gericht hatte der Angestellte behauptet, dass die Tonaufnahme dem Beweiszweck diene, da der Vorgesetzte ihm bereits zuvor des öfteren unsachgemäße, diskriminierende und ehrverletzende Äußerungen getätigt habe. Diese konnten jedoch nicht nachgewiesen werden, da aufgrund der Vier-Augen-Situation eine Aussage durch die gegenteilige Aussage aufgehoben werde würde. Mit der Tonaufnahme wollte der Angestellte das „grenzüberschreitende Verhalten“ dokumentieren.

Nun lag es am Landesarbeitsgericht Mainz, festzustellen, ob die Kündigung des Kassierers aufgrund der Anfertigung einer Tonaufnahme rechtens war. Das Gericht führte an, dass zwar nach der Rechtsprechung des BAG der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, die fristlose Kündigung im konkreten Fall jedoch unwirksam sei:

Zum einen sei zu berücksichtigen, dass der Verkäufer bei der Aufnahme des Gesprächs in einem – zwar vermeidbaren – Verbotsirrtum handelte, da dieser sich einer eventuellen Verwirklichung des Straftatbestandes von § 201 StGB nicht bewusst gewesen sei. Dieser Verbotsirrtum müsse bei der Gewichtung der Pflichtverletzung berücksichtigt werden und lasse diese unter den dargestellten Besonderheiten des vorliegenden Falls in einem deutlich milderen Licht erscheinen, so das Gericht.
Auch die Drohung des Arbeitgebers durch die Aussage „Wenn du etwas sagst, drehe ich den Spieß um und dir glaubt dann sowieso keiner“, wurde die Gesprächsaufzeichnung durch den Arbeitgeber provoziert, was mildernd zu berücksichtigend sei.

Auch die langjährige Betriebszugehörigkeit des Klägers sei zu beachten, da das Arbeitsverhältnis 17 Jahre lang störungsfrei verlaufen war. Es sei beiden Konfliktparteien aufgrund dieser langen gemeinsamen Arbeitszeit zuzumuten, dass langjährig bestehende Arbeitsverhältnis weiterhin fortzusetzen. Eine Verlegung des Klägers in eine andere Filiale wurde durch das Gericht empfohlen.

Die außerordentliche Kündigung erweise sich mithin als unverhältnismäßig, so das Urteil abschließend.

Auf einen Blick

LAG Mainz: Heimliche Tonaufnahme bei Vorgesetztengespräch muss kein Kündigungsgrund sein: in der Einzelfallentscheidung müssen auf Faktoren berücksichtigt werden