14. August 2022Dr. Dierk Bredemeyer

BAG: Annahmeverzug nach Vorlage eines Negativen Corona-Tests nach Aufenthalt in einem Risikogebiet

5 AZR 154/22

Erteilt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände, obwohl der Arbeitnehmer entsprechend den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise keiner Absonderungspflicht (Quarantäne) unterliegt, schuldet der Arbeitgeber grundsätzlich Vergütung wegen Annahmeverzugs, so das Urteil des BAG.

Der Arbeitgeber des Klägers, einer Putzkraft im Betrieb, erstellte zum Infektionsschutz ein zusätzliches, betriebsinternes Hygienekonzept, das für Arbeitnehmer, die aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs ohne Entgeldanspruch anordnet.

Dieses Hygienekonzept sieht damit eine strengere Regelung vor, als die zu dieser Zeit in Berlin geltende SARS-CoV-2- Eindämmungsmaßnahmenverordnung vom 16. Juni 2020. Hiernach kann die grundsätzlich geltende Quarantäne von 14 Tagen nach der Einreise aus einem Risikogebiet durch die Vorlage eines ärztliches Attests über Sypmtomfreiheit sowie die Vorlage eines negativen PCR-Tests entfallen, solange zusätzlich keine Symptome vorliegen.

Der Kläger reiste im August 2020 aufgrund eines familiären Todesfalles in die Türkei, welche zu dieser Zeit vom Robert-Koch-Institut (RKI) als Risikogebiet ausgewiesen war. Vor der Ausreise aus der Türkei unterzog er sich einem Corona-PCR-Test, der ebenso wie der erneute Test nach Ankunft in Deutschland negativ war. Der Arzt des Klägers attestierte ihm Sypmtomfreiheit. Der beklagte Arbeitgeber verweigerte dem Kläger für die Dauer von 14 Tagen den Zutritt zum Betriebsgelände und zahlte ihm keine Arbeitsvergütung. Der Kläger verlangte von seinem Arbeitgeber Vergütung wegen Annahmeverzugs i.H.v. EUR 1.512,47 und meinte, der Arbeitgeber habe zu Unrecht die Annahme seiner Arbeitsleistung verweigert. Das Arbeitsgericht Berlin und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg haben der Klage stattgegeben. 

Die Revision des Beklagten hatte vor dem Fünften Senat des BAG keinen Erfolg. Wie schon das Arbeitsgericht richtig erkannt hatte, befand sich der Arbeitgeber mit der Annahme der vom Arbeitnehmer angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug. Das vom Arbeitgeber erteilte Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers (§ 297 BGB), da die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung von dem Beklagten selbst gesetzt worden war. Eine Unzumutbarkeit der Arbeitsleistungsannahme von Seiten des Beklagten, aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände, hat sich nicht dargelegt, da nach Ansicht des BAG der nach § 618 Abs. 1 BGB erforderliche und angemessene Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer auch durch andere infektionsrisikominimierenden Möglichkeiten, wie zum Beispiel durch eine Betriebsinterne Testpflicht für Reisende aus Risikogebieten, erreicht werden hätte können. Ein Betretungsverbot wäre somit nicht nötig gewesen, um den ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicher zu stellen.

Hinzu komme, dass etwaige Weisung des Arbeitgebers, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen, ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben sind nach Ansicht des BAG gem. § 106 GewO unwirksam. 

Mit diesem Urteil wird eine Trennlinie für die Berechtigungen des Arbeitgebers zur Umsetzung der arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen gezogen: das BAG hat in einer älteren Entscheidung zwar entschieden, dass es dem Arbeitgeber möglich ist, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen um den Schutz zu gewährleisten (5 AZR 28/22). Nach diesem Urteil steht jedoch fest, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht gestützt auf das Weisungsrecht einfach ohne Vergütungszahlungen nach Hause schicken kann, solange kein gesetzliches Beschäftigungsverbot vorliegt, auch wenn die Maßnahme mit dem Gesundheitsschutz anderer Arbeitnehmer begründet wird.

Auf einen Blick

BAG: unternehmensinternes Betretungsverbot für das Betriebsgelände nach Einreise aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet nicht zulässig, wenn Arbeitnehmer entsprechend den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise keiner Absonderungspflicht (Quarantäne) unterliegt; keine Leistungsunmöglichkeit, somit Annahmeverzug und Vergütungspflicht des Arbeitgebers;