31. Oktober 2022Dr. Dierk Bredemeyer

Verlust des Erbrechts bei neuer Partnerschaft nach Demenz-Erkrankung des Erblassers

OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.09.2022 - 3 W 55/22

Wenn jemand seinen Lebenspartner testamentarisch zum Erben einsetzt, dieser sich aber noch zu Lebzeiten des Erblassers anderweitig bindet, kann dies grundsätzlich zur Unwirksamkeit des Testaments führen. Wurde eine neue Partnerschaft durch den Erben nur eigegangen, weil die Demenzerkrankung des Erblassers das Weiterführen der Beziehung unmöglich machte, so kann das Testament weiterhin bestand haben. Entscheidend, so das OLG Oldenburg, sei der hypothetische Wille des Erblassers.

Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser bereits im Jahre 2005 seine Tochter und seinen Lebenspartner testamentarisch als Erben eingesetzt. Im Jahre 2016 kam der Erblasser wegen weit fortgeschrittener Demenz in ein Pflegeheim. Im Jahre 2020 heiratete der ehemalige Lebenspartner und eingetragene Erbe einen neuen Partner. Nach dem Tod des Erblassers, ein halbes Jahr später, beantragte er einen Erbschein. Die ebenfalls eingetragene Tochter hielt das Testament jedoch aufgrund der neuen Partnerschaft für unwirksam und focht das Testament an. Ihrer Ansicht nach, hätte der Erblasser das Testament geändert und seinen Lebenspartner nicht mehr zum Erben bestimmt, hätte er gewusst, dass dieser sich noch zu Lebzeiten einem neuen Mann zuwendet und diesen heirate.

Mit dieser Argumentation hatte die Tochter weder vor dem AG, noch vor dem OLG Erfolg. Ein Anfechtungsgrund lag nicht vor, so die Rechtsprechung.

Grundsätzlich ermöglicht § 2078 Abs. 2 BGB eine Anfechtung, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands bestimmt worden ist. Die Erwartung der Fortdauer der Lebensgemeinschaft zählt als solcher Grund. Demnach ist eine Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser (u.a.) seinen Lebenspartner bedacht hat, zwar dann grundsätzlich unwirksam, wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht. Jedoch kommt, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Verfügung auch für einen solchen Fall getroffen hätte eine Ausnahme zum tragen. Hierbei kommt es auf den hypothetischen Willen des Erblassers zur Zeit der Errichtung der Verfügung von Todes wegen an.

Vorliegend machte die Demenz das Fortführen der Lebenspartnerschaft faktisch unmöglich. Dieser Fall sei anders zu bewerten als Fälle, in denen sich Partner auseinanderlebten oder sich auf andere Weise schuldhaft trennen. Der ehemalige Lebenspartner habe den Erblasser im Pflegeheim regelmäßig besucht und damit seine fortdauernde Verbundenheit zum Ausdruck gebracht. Vor diesem Hintergrund sei von dem hypothetischen Willen des Erblassers auszugehen, dass das Testament Bestand haben solle, meint das OLG. 

Auf einen Blick

Wirksamkeit des Testaments: neue Partnerschaft zu Lebzeiten führt grundsätzlich zu Unwirksamkeit; Ausnahme aber, wenn Demenz Partnerschaft unmöglich macht; hier kommt es auf „hypothetischen Willen“ an;