20. August 2022Dr. Dierk Bredemeyer

Strafbarkeit einer Tonaufnahme eines Polizeieinsatzes

(v. 30.06.2022, Az. 1 0LG 2 Ss 62/21)

Durch die Anfertigung einer Tonaufnahme eines laufenden Polizei-Einsatzes ist der Anfangsverdacht für eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB gegeben, so die umstrittene Entscheidung des OLG Zweibrücken in einem Revisionsverfahren gegen die Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte.
Das Urteil steht dabei in Widerspruch zu gegebener Rechtsprechung zur Öffentlichkeit von Polizeieinsätzen von Amts- und Landgerichten.

Nachdem ein Anwohner im Frühjahr 2020 die Polizei über ein Treffen mehrerer Stundeten an einem frei zugänglichen Teich nahe der Fachhochschule ins Kaiserslautern informierte, führte diese eine Personenkontrolle durch, um Verstöße gegen die damals geltenden Corona- Regeln zu überprüfen und Hinweisen auf Drogenkonsum nachzugehen. Dabei wurden auch die Personalien von rund 20 Personen festgestellt. Um mögliche polizeiliche Fehler zu dokumentieren, filmte die Angeklagte den gesamten Polizeieinsatz mit ihrem Handy. Hintergrund seien, nach eigener Aussage, schlechte Erfahrungen mit der Polizei in der Vergangenheit. Das Handy-Video mit einer Gesamtlänge von 39:07 Minuten beinhaltete keine relevante Videoaufnahme, da die Angeklagte den Einsatz nur über eine Ton-Aufnahme festhalten wollte. Sie filmte auf den Boden und äußerte gegenüber der Polizei mehrfach keine Porträt-Aufnahmen anzufertigen. 

Sämtliche Gespräche zwischen der Polizei und der Gruppe, sowie Gespräche zwischen Polizisten unter sich wurde aufgenommen. Die Frau verfolgte mit ihrem Handy die Polizisten und nahm auch Personenkontrollen mit Personen weiter außerhalb der Gruppe auf. Nachdem die Angeklagte der Aufforderung der Polizeibeamten, das Filmen zu unterlassen und das Video zu löschen, nicht nachkam, wurde ihr Smartphone unter Anwendung von Zwang sichergestellt. Das AG verurteilte die Angeklagte daraufhin wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (in Tateinheit mit Beleidigung) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten mit Bewährungsaussetzung. Hiergegen wendete sich die Angeklagte mit ihrer (Sprung-) Revision.

Knackpunkt der Entscheidung im Revisionsverfahren war die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahmung des Handys. Da diese davon abhängt, ob die Polizisten von strafbaren Aufnahmen ausgehen durften, musste dennoch geklärt werden, ob die Aufnahme des Tons von Polizeieinsätzen gegen § 201 StGB verstößt. Diese Frage ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt und unter Juristen umstritten.

Das OLG Zweibrücken verfolgte in der Entscheidung eine strenge Auslegung des § 201 StGB und widersprach dabei der Rechtsprechungslinie einiger Landgerichte. Diese hatten zuletzt die Strafvorschrift eher eng ausgelegt und wollten das Filmen von Polizeieinsätzen größtenteils aus der Strafbarkeit nach § 201 StGB herausnehmen.

§ 201 StGB schützt laut seiner Überschrift die Vertraulichkeit des Wortes. Schützenswerte sind also grundsätzlich vertrauliche Gesprächssituationen, damit diese weiter vertraulich bleiben. Explizit strafbar sind gem. § 201 StGB Aufnahmen des „nichtöffentlich gesprochenen Worts“. Entscheidend ist daher, ob die Äußerungen von Polizisten bei Polizeieinsätzen öffentlich oder nichtöffentlich sind. Die Zentrale Frage lautet also „wann sind Gespräche nicht-öffentlich“ und gelten Gespräche im Zuge von Polizeieinsätze die in der Öffentlichkeit stattfinden auch als nicht-öffentlich?

Hierfür kommt es auf eine sogenannte „faktische Öffentlichkeit“ an, also darauf, ob beliebige andere Personen in der Lage wären, ein Gespräch mitzuhören. Das Landgericht (LG) Osnabrück hatte für Polizeieinsätze an frei zugänglichen Orten erst vor kurzem eine faktische Öffentlichkeit bejaht, da an an solchen Orten nie auszuschließen ist, dass Passanten oder Anwohner die Gespräche zwischen Polizisten und Betroffenen mitbekommen. 

Das OLG verneinte hingegen im vorliegenden Fall eine solche Öffentlichkeit und berief sich auf die Uhrzeit des Einsatzes um 3 Uhr nachts. Hier sei davon auszugehen, dass keine weiteren Personen Gespräche im Zuge des Einsatzes mitbekommen, wodurch die faktische Öffentlichkeit zu verneinen und eine Strafbarkeit anzunehmen wäre. Dabei verwundert, dass laut Beschluss ein Anwohner überhaupt erst den Hinweis auf die Gruppe an die Polizei gab. Auch zum Bodycam-Einsatz durch die Polizei, der die „Nichtöffentlichkeit“ möglicherweise ausschließt, hat das OLG nichts weiter ausgeführt. 

Die Tatsache, dass die Frau auch Personenkontrollen mit außerhalb-sitzenden Personen aufgenommen hatte, wurde vom OLG gesondert betrachtet. Das LG Kassel hatte bereits nähere Ausführungen zur Strafbarkeit nach § 201 StGB speziell bei Personenkontrollen gemacht und vertrat die Ansicht, dass eine Einwilligung der Betroffenen genügt um eine Strafbarkeit zu verneinen, da die Äußerungen von Polizisten im Rahmen einer Personenkontrolle gar keinen eigenen Erklärungsgehalt hätten. Eine solche Einwilligung sei, nach Auffassung der Richter aus Kassel grundsätzlich anzunehmen, da die Aufnahmen ja gerade zu dem Zweck gefertigt würden, polizeiliche Fehler zu dokumentieren. 

Entgegen der Rechtsprechung des LG Kassel, bejahte das OLG eine Strafbarkeit aus § 201 StGB ohne auf den Punkt der Einwilligung einzugehen.

Zwar hat das OLG einige Ausführungen zur Strafbarkeit nach § 201 StGB gemacht, generelle Aussagen nach Art einer Grundsatzentscheidung aber eher vermieden. Auch der Widerspruch zu der Rechtsprechung der Landgerichte bei ähnlichen Fallkonstellationen schafft weiterhin Rechtsunsicherheit. Damit bleibt für Betroffenen und Polizeikräfte im Einsatz weiter unsicher, ob und wann gefilmt werden darf. Nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Diskussion über Polizeigewalt hat die Gerichtsentscheidungen für Aufmerksamkeit gesorgt.

Auf einen Blick

OLG Zweibrücken: Audio-Aufnahmen während eines Polizeieinsatzes begründen Tatbestand des § 201 StGB; nicht-Öffentlichkeit kann durch Uhrzeit in der Nacht gegeben sein; Entgegen Rechtsprechungslinie der Landgerichte ist bei Personenkontrollen die Einwilligung der Personen nicht entscheiden; Kein Grundsatzurteil schafft weiter Rechtsunsicherheit;