5. Dezember 2022Dr. Dierk Bredemeyer

Rürup-Rente: Aufklärungspflicht der Versicherungsvertreter über vertragliche Bindung bis zum Rentenalter ohne Anspruch auf Rückkaufswert

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 7.12.2021, Az. 9 U 97/19)

Besonders bei selbständigen Unternehmern ist die finanzielle Situation oft schwankend – für Finanzierungen von Investitionen sind häufig Finanzmittel erforderlich. Eben deshalb ist eine Rürup-Rente für selbstständige Unternehmer ungeeignet, so das OLG Karlsruhe.

Ähnlich wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung können bei der Rürup-Rente Einzahlungsbeiträge von der Steuer abgesetzt werden. Erst bei der Auszahlung im Ruhestand fällt eine Versteuerung an.

Entgegen der „normalen“ Lebensversicherung sind Zahlungen aus dem Vertrag erst im Rentenalter möglich. Einen Anspruch auf sog. Rückkaufswert bei vorzeitiger Kündigung besteht aufgrund der Besonderheiten der Rürup-Rente (den steuerlichen Vergünstigungen) nicht. Für den Versicherungsnehmer gibt es vor dem vereinbarten Rentenbeginn keine Möglichkeit eine vorzeitige Auszahlung des angesparten Kapitals zu erhalten. Er ist – anders als bei anderen privaten Renten – bis zum Rentenalter gebunden. Kurzfristige Auszahlungen für Investitionen und Flexibilität sind dadurch, auch in prekären finanziellen Situationen, nicht gegeben.

Das OLG Karlsruhe musste sich in einem Berufungsverfahren mit der Frage beschäftigen, ob ein Versicherungsvertreter und die Versicherung schadensersatzpflichtig sind, wenn diese einem selbstständigen Unternehmer, trotz der Ungeeignetheit, eine solche Rentenversicherung empfohlen haben. Dabei stellte das Gericht Leitsätze zur Beweislastumkehr bei Beratungs- und Dokumentationsfehlern auf.

Im zugrundeliegenden Fall klagte ein Versicherungsnehmer, der 2010 einen Rürup-Rentenvertrag abgeschlossen hatte. Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt am Ende eines Privatinsolvenz-Verfahrens und wollte sich selbstständig machen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatte er nur ein sehr geringes Einkommen. Dies war dem Versicherungsvertreter bekannt.

Trotz dieser Tatsachen wurde ihm auf Initiative des Versicherungsvertreters eine Rürup-Rente vorgeschlagen.

Zunächst zahlte der Versicherungsnehmer die Versicherungsbeiträge. Fünf Jahre nach Vertragsschluss nahm er jedoch den Versicherungsvertreter und den Versicherer auf Schadensersatz in Anspruch. Dabei berief er sich auf eine fehlerhafte Beratung in Bezug auf die skizzierten Nachteile einer Rürup-Rente für Selbstständige. Bei Kenntnis dieser Nachteile hätte er die Rentenversicherung wegen fehlender Flexibilität nicht abgeschlossen. Hinzukomme, dass die vermittelte Rentenversicherung für ihn zu damaligen Zeitpunkt unpassend gewesen wäre und deshalb vom Versicherungsvertreter nicht hätte vermittelt werden dürfen.

Strittig war vor Gericht, ob der Versicherungsvermittler transparent über die Folgen und Details informiert hatte.

Das Landgericht wies die Klage ab – es wurde kein Nachweis für eine fehlerhafte Beratung gefunden. Gegen dieses Urteil legte der Versicherungsnehmer Berufung ein.

Das OLG gab dem Kläger Recht und verurteilte den Versicherungsvertreter und den Versicherer zu Schadensersatz.

Das Gericht entschied,  dass ein Versicherungsvertreter den Versicherungsnehmer, dem er eine Rürup-Rente vermitteln möchte, ungefragt darüber aufklären muss, dass – anders als bei den meisten anderen Rentenversicherungsverträgen – eine vorzeitige Auszahlung aus dem angesammelten Kapital (Rückkaufswert) nicht möglich ist. Dies sei eine grundlegende Information, über die eine Aufklärung erfolgen muss. Zudem erschien es, nach Ansicht das Gericht, plausibel, dass sich der Versicherungsnehmer bei Kenntnis dieser Bindung nicht für eine Rürup-Rente entschieden hätte. 

Diese Aufklärung über die Unmöglichkeit der vorzeigen Auszahlung müsse zudem zureichend dokumentiert werden (i.S.v. § 61 Abs. 1 Satz 2 VVG).

Vorliegend war die Dokumentation des Baratungsverlauf durch den Versicherungsvertreter zumindest unzureichend. In einem solchen Falle müsse bei widerstreitendem Sachvortrag „der Versicherungsvermittler diejenigen Umstände nachweisen, die für die Erfüllung seiner Beratungspflichten maßgeblich sind“. Könne er dies nicht, so sei dies aufgrund dieser Umkehr der Beweislast „sein Problem“. Diese Beweislastumkehr bei fehlender oder Unvollständiger Dokumentation knüpft dabei an die Rechtsprechung des BGH (Az.: III ZR 544/13) an.

Ebenfalls entschied das Gericht, dass die gewählte Rürup-Rente kein geeignetes Produkt für den Versicherungsnehmer darstellt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger den Wunsch nach einer solchen Rente äußerte.

Aufgrund des fehlenden Beweis ist der  Versicherungsnehmer dazu verpflichtet sämtliche Versicherungsprämien, die dieser während der Laufzeit des Vertrages bezahlte, zurückzuzahlen. Dieser Schadensersatzanspruch besteht – wenn der Versicherungsvertreter für den Versicherer arbeitet – sowohl gegen den Versicherungsvertreter als auch gegen den Versicherer.

Auf einen Blick

Rürup-Rente: kein Anspruch auf Rückkaufswert bei vorzeitiger Kündigung - Auszahlung des Kapitals erst nach Rentenbeginn möglich. Aufgrund dieser fehlenden Flexibilität ungeeignet für Selbstständige.

OLG: Schadensersatzanspruch gegen Versicherungsvertreter und Versicherung bei unzureichender Aufklärung; Beweislast über dieses Beratungsgespräch und die Dokumentation beim Versicherungsvertreter