23. Juli 2024Dr. Dierk Bredemeyer
AG München Urteil vom 17.10.2023 – 223 C 12146/23
Eine Rückbuchung des Hin- und Rückflugs einer Pauschalreise von „Premium Economy-Class“ auf „Economy-Class“ stellt keinen die Reise wesentlich beeinträchtigenden Mangel dar und reicht alleine nicht für ein Kündigungsrecht der gesamten Reise.
Im zugrundeliegenden Fall buchte ein Ehepaar bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise nach Kuba für elf Nächte zu einem Gesamtreisepreis in Höhe von 4.322 €. Dabei wurde eine Anzahlung in Höhe von 864,40 € geleistet. Für beide Flüge war die Premium Economy-Class vorgesehen.
Fünf Monate vor Reisebeginn teilte der Veranstalter dem Paar mit, dass die durchführende Airline auf dem Flug nach Havanna keine Premium Economy mehr anbietet und bot eine Entschädigung von 150 Euro pro Person an.
Die Urlauber lehnten das Angebot ab und baten den Reiseveranstalter um kostenfreie Stornierung der Reise und Erstattung der geleisteten Anzahlung. Zur Begründung verwiesen sie darauf, für den Flug mit der Premium Economy-Class einen Aufpreis von 1.148 € für 2 Personen bezahlt zu haben. Weiter sei die Premium Economy-Class aufgrund der größeren Beinfreiheit gebucht worden, welche aus medizinischen Gründen dringend erforderlich gewesen sei, da bei der Klägerin ein erblich bedingtes erhöhtes Thromboserisiko vorliege.
Der Reiseveranstalter lehnte das Ersuchen der Frau ab, woraufhin diese vor dem AG München die Rückzahlung der 864,40 Euro geltend machte.
Grundsätzlich ist eine Kündigung eines Pauschalreisevertrages nur möglich, wenn ein Mangel an der Reise vorliegt, der die Pauschalreise erheblich beeinträchtigt, § 651l BGB. Zweck dieser Hürde ist es, die weitreichende Folge der Lösung vom Vertragsverhältnis nur bei Mängeln größeren Ausmaßes zu ermöglichen, sodass nicht jede Abweichung vom Vertrag ausreicht, das Vertragsverhältnis zu beenden.
Unerheblich ist dabei, ob die Kündigung bereits vor der eigentlichen Reise erklärt wird, solange der Mangel zu diesem Zeitpunkt erkennbar war.
Ob die Pauschalreise durch den Reisemangel erheblich beeinträchtigt wird, hängt davon ab, welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hat und wie gravierend er sich für den Reisenden auswirkt. Das wiederum ist aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
Im vorliegenden Falle würdigte das Gericht zwar die Unterschiede zwischen den beiden Sitzkategorien, wies die Klage aber ab. Ein Mangel im erforderlichen Ausmaß läge hier nicht vor:
So führte es aus, die Economy-Class biete „unstreitig einige Vorteile gegenüber der Economy-Class, insbesondere einen größeren Abstand der Sitze zueinander und damit größere Beinfreiheit“. Allerdings stelle in Anbetracht dessen, dass der Flug bei einer Pauschalreise nur einer von mehreren Reisebestandteilen und im Vergleich zur gebuchten Reisezeit von elf Nächten nur von kurzer Dauer sei, die Änderung der Beförderungsklasse „gerade keine erhebliche Beeinträchtigung der Pauschalreise dar.“
In einem abweichenden Fall hatte das OLG Düsseldorf bereits 2008 entschieden, dass einem Reisenden, der eine Reise gebucht hat, bei der die Beförderungsklasse „First Comfort Class“ besonders herausgestellt und beworben wurde, ein Kündigungsrecht zusteht, wenn er vor dem Abflug feststellen muss, dass er auf die Economy-Class verwiesen wird. Entgegen diesem Fall konnte vorliegend aber von Seiten der Klägerin nicht nachgewiesen werden, dass alleine für ein Upgrade wie vorgetragen ein Aufpreis von 1.148 Euro gezahlt wurde.
Auch das von seitens der Klägerin vorgebrachte erhöhte Thromboserisikos ändere nach Ansicht des Gerichts nichts an der Erheblichkeit des Mangels. Diese gesundheitliche Einschränkung wurde dem Reiseveranstalter bei Abschluss des Reisevertrages nicht mitgeteilt und sei damit nicht Grundlage des Vertrages geworden.
Das Urteil des Amtsgerichts ist rechtskräftig.
Auch wenn eine Kündigung in diesem Fall aufgrund der fehlenden Erheblichkeit des Mangels nicht möglich war, bleiben unterhalb dieser Schwelle weiterhin Gewährleistungsrechte der Abhilfe und Selbstabhilfe (§ 651k), der Minderung (§ 651m) und des Schadensersatzes nach § 651n Abs. 1 möglich.