6. April 2023Dr. Dierk Bredemeyer

BGH: Reiserücktrittsversicherung umfasst auch eine Rückerstattung von Bonusmeilen, welche zur Bezahlung der Reise eingesetzt worden sind

(Urt. v. 01.03.2023, Az. IV ZR 112/22) 

Reisende, die einen stornierten Flug mit Bonusmeilen bezahlt haben, die durch die Bezahlung unwiederbringlich verloren gegangen sind, haben Anspruch auf Entschädigung aus der Reiserücktrittsversicherung. Der BGH stärkt die Rechte von Reisenden im Streit mit der Reiserücktrittsversicherung durch eine weite Auslegung der zugrundeliegenden Norm aus den Allgemeine Bedingungen für die Reiserücktrittskostenversicherung (ABRV).

Viele Fluggesellschaften bieten ihren Kunden als Bonus Meilenprogramme an, die es ermöglichen, bei jedem Flug Punkte zu sammeln. Diese gesammelten Bonuspunkte können später gegen Flüge oder andere Prämien eingetauscht werden.

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Mann Flüge in die USA gebucht, die er mit solchen Bonusmeilen aus dem Vielfliegerprogramm der Airline zahlte. Aufgrund einer Erkrankung musste die Reise storniert werden und konnte nicht angetreten werden. Direkt über die Fluggesellschaft konnten nach den Bedingungen der Fluggesellschaft die bezahlten Meilen nicht wieder gutgeschrieben werden.

Der Betroffene war jedoch in einer Reiserücktrittsversicherung der Ehefrau in einer sog. Familienversicherung mitversichert. Diese sah vor, dass „unter anderem Stornokosten bei Nichtantritt der Reise bis zu 80 Prozent des Reisepreises“ versichert sind. Die Versicherungsbedingungen schrieben vor, dass „bei Nichtantritt der Reise die dem Reiseunternehmen oder einem anderen vom Versicherten vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten“ vonseiten der Versicherung entschädigt werden.

Vorliegend zahlte die Versicherung keine Entschädigung für die durch Zahlung verloren gegangen Meilen. Nach Ansicht der Versicherung handelt es sich bei den entwerteten Meilen nicht um Kosten, i.S.d. der Versicherungsbedingung, die durch einen Rücktritt entstanden sind.

Vor Gericht machte der Mann als mitversicherte Person seine Ansprüche aus einer Reiserücktrittskostenversicherung klageweise geltend.

Das Landgericht Wuppertal hatte zuletzt entschieden, dass durch die Bezahlung mit Meilen keine Rücktrittskosten entstanden seien. In der Begründung führte das Gericht aus, dass Bonusmeilen „nicht in dem Sinne handelbar“ seien, „dass es für sie einen Markt gebe, auf dem sie gekauft und verkauft werden könnten“. Eine nicht geldwerte Gegenleistung für einen Flug“ solle „nicht auf dem Umweg über einen Reiserücktritt handelbar“werden. 

Die Revision vor dem BGH hatte jedoch Erfolg und das Urteil des LG wurde zurückgewiesen.

Nach Ansicht des BGH sind Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Abgestellt werden muss dabei auf einen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse. Maßgeblich für das Verständnis eines Versicherungsnehmer sei dabei in erster Linie der Wortlaut der Bedingung. Auch der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind. 

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnimmt dem Wortlaut der in Streit stehenden Bedingung, das Versprechen der Beklagten, ihn bei Nichtantritt der Reise für die dem Reiseunternehmen oder einem anderen von der versicherten Person vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten zu entschädigen, so der BGH. Eine Beschränkung auf Geldzahlungen wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht annehmen, da für ihn jede vertraglich geschuldete Gegenleistung als entschädidungsbedürftige Rücktrittskosten erscheinen.

Durch den Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung erwarten Reisewilligen ebenso gerade einen Schutz vor Kosten bei Nichtantritt. Ihnen ist dabei egal, um welche Art von Kosten es sich handelt. Den Meilen kommt „ungeachtet ihrer fehlenden Handelbarkeit ein Wert zu, weil der Kläger sie im Rahmen des Bonusprogramms als Gegenleistung für angebotene Waren oder Dienstleistungen einsetzen kann“. 

Entgegen der Ansicht des LG, sei eine Differenzierung aufgrund der Handelbarkeit vorliegend nicht geeignet, da eine solche nicht dem Betrachtungshorizont eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers entspricht.

Dem Mann steht also eine Entschädigung zu. Wie viel Geld ihm die Versicherung zahlen muss, steht noch nicht fest. Die Karlsruher Richter verwiesen den Rechtsstreit an das Landgericht zurück. 

 

Auf einen Blick

BGH: Reiserücktrittsversicherung umfasst Ersatz von Bonusmeilen, welche zur Flugbuchung verwendet worden sind;

"vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten" gem. § 1 ABRV sind weit auszulegen und umfassen nicht nur Geldleistungen. Bei der Auslegung ist die Sicht eines gewöhnlichen Versicherungsnehmers maßgeblich;