4. Dezember 2024Dr. Dierk Bredemeyer

Prüf- und Warnpflicht von Bankangestellten bei Abhebungen im Kontext von Enkeltrickbetrug

LG Dortmund, Urteil vom 24.01.2024 – 3 O 340/23; LG Bonn, Urteil vom 07.08.2024 – 2 O 112/24

Nicht selten werden insbesondere ältere Menschen Opfer von Betrügern, die am Telefon erfundene, erschreckende Geschichten vortragen, um diese zur Herausgabe erheblicher Geldbeträge zu bewegen (sog. Enkeltrick). In der Regel müssen die Betroffenen die geforderten Summen durch Bankabhebungen beschaffen, wodurch die Rolle der Banken in solchen Fällen zunehmend in den Fokus rückt. Häufig versuchen die Betroffenen im Anschluss, die Bank in Haftung zu nehmen, um den entstandenen Schaden auszugleichen. Es wird dabei argumentiert, dass sich den Bankmitarbeitern angesichts der Gesamtumstände der Abhebung aufdrängen musste, dass der Kunde Opfer eines „Enkeltricks“ geworden ist. Ein ausreichend informierter Bankmitarbeiter hätte demnach bei der Abhebung Nachfragen stellen und auf mögliche Risiken hinweisen müssen. Dieser schuldhafte Verstoß gegen die Prüf-, Warn- und Schutzpflichten rechtfertige eine Haftung auf Schadensersatz.

Ähnlich verläuft der Sachverhalt in zwei Fällen, in denen ältere Frauen jeweils durch Anrufe von vermeintlichen Polizisten mit unterdrückter Telefonnummer kontaktiert wurden. Den Klägerinnen wurde mitgeteilt, dass ihre Töchter in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt seien und sich nun in Polizeigewahrsam befänden. Um ihre Entlassung zu ermöglichen, müsse eine Kaution beim Landgericht hinterlegt werden. In beiden Fällen wurden jeweils 25.000 Euro in einer Bankfiliale abgehoben. Die Klägerinnen führten aus, dass ihr nervöses Verhalten, verbunden mit der Abhebung einer ungewöhnlich hohen Summe und ihrem fortgeschrittenen Alter, den Bankmitarbeitern hätte auffallen müssen.

In beiden Fällen wurde die Klage durch das zuständige Landgericht (LG Dortmund und LG Bonn) abgewiesen. So führte das LG Dortmund im Leitsatz aus:

„Wenn ein Bankkunde – mag er oder sie auch einen nervösen Eindruck vermitteln – am Schalter die Barauszahlung eines für ihn unüblich hohen Betrages verlangt, hat die Bank ohne Hinzutreten weiterer, außergewöhnlicher Umstände die Motivation für die Abhebung nicht zu hinterfragen. Im Gegenteil ist sie aus dem Girovertrag ihrem Kunden bzw. ihrer Kundin gegenüber zur Ausführung des Auftrags verpflichtet, § 675o Abs. 2 BGB.“

Diese Rechtsprechungslinie, der sich die Landgerichte angeschlossenen haben, steht in Einklang mit vorherigen Entscheidungen zu Prüf- und Warnpflichten von Banken. Dogmatisch lassen sich diese im Zahlungsverkehr nicht als girovertragliche Nebenpflicht begreifen, sondern sie sind Ausprägung der Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Bank (§§ 311 Abs. 2 Nr. 1- 3, 241 Abs. 2 BGB).

Anerkannt ist, dass das Bestehen von Prüf- und Warnpflichten eine Ausnahme darstellt. Ihr Bestehen ist auf Fälle beschränkt, in denen es Treu und Glauben nach den besonderen Umständen des Einzelfalls gebieten, vor Ausführung des Auftrags vorherige Rücksprache mit dem abhebewilligen Bankkunden zu halten, um diesen vor einem möglicherweise drohenden Schaden zu bewahren, den der Kunde nicht selbst erkennt oder erkennen müsste. Hiernach liegen Prüf- und Warnpflichten nur vor, wenn objektive Evidenz aufgrund massiver Verdachtsmomente vorliegt. Zusätzliche Prüfungspflichten soll es gerade nicht geben, um einerseits die Banken nicht übermäßig zu belasten und um andererseits Bargeldabhebungen (auch für die Bankkunden) nicht übermäßig zu erschweren.

In den vorliegenden Fällen erachten die Gerichte die restriktiven Voraussetzungen als nicht gegeben:

Wenn eine Bankkundin unter Vorlage ihrer Bankkarte und ihres Ausweises die Auszahlung einer Summe von einem gedeckten Konto verlangt – auch wenn sie dabei einen nervösen oder aufgelösten Eindruck vermittelt – hat die Bank grundsätzlich keine Verpflichtung, die Motivation der Abhebung zu hinterfragen, sofern keine weiteren, außergewöhnlichen Umstände vorliegen. Vielmehr ist die Bank gemäß dem Girovertrag nach § 675o Abs. 2 BGB verpflichtet, den Auftrag ihrer Kundin auszuführen.

Auch die weiteren hinzutretenden Umstände, wie das Vergessen der PIN aufgrund von Nervosität, veranlassen die Bankmitarbeiter nicht dazu, zu hinterfragen, dass die Abhebung des Geldbetrages nicht aus freien Stücken erfolgt. Es dürfte nämlich kaum ungewöhnlich sein, dass eine Bankkundin ihre PIN bei der Bargeldabhebung (mehrfach) falsch eingibt und zunächst im Mobiltelefon oder an anderer Stelle nach dieser suchen muss. Ein solches Verhalten dürfte vielmehr täglich in Bankfilialen vorkommen und stellt keinen ausreichenden Anlass dar, um auf einen möglichen betrügerischen Hintergrund zu schließen.

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