29. Mai 2022Dr. Dierk Bredemeyer

Neue Rechtsprechung zur Influencer-Werbung – Wo ist die Grenzen zwischen kennzeichnungspflichtiger Werbung und anderen Beiträgen

Das neue Werbe-Modell Influencer ist keine Neuheit mehr. Aufgrund ihrer Reichweite werden Internet-Stars und bekannte Persönlichkeiten von Unternehmen weltweit gerne als Werbeträger eingesetzt und beeinflussen dabei das Kaufverhalten von Millionen. Allein im Jahr 2021 haben Unternehmen, nach Zahlen des Influencer Marketing Hub, weltweit 12,8 Milliarden Dollar für Influencer-Marketing ausgegeben. Auch eine weitere Umfrage des Bundesverbands Digitale Wirtschaft zeigt, welche Wichtigkeit Influencer-Marketing auch für deutsche Unternemen hat: rund 45 Prozent der befragten Unternehmen planten, ihr Budget für Influencer-Marketing im Jahr 2021 weiter zu erhöhen, während lediglich 4 Prozent weniger Geld als 2020 investieren wollen.

Immer wieder gerät dieses Werbemodell jedoch in Kritik, da für Verbraucher und besonders für die jugendliche Zielgruppe nicht immer ersichtlich ist, dass Influencer ihre Reichweite für Werbung nutzen. Besonders die Unterscheidung zwischen Werbung und einer privaten Produktempfehlung fällt schwer.

Mit mehreren Grundsatzentscheidungen versucht die deutsche Rechtsprechung eine Trennlinie zu ziehen und die Frage zu lösen, welche Beitrage als „Werbung“ gekennzeichnet werden müssen.

Grundsätzlich regelt § 8 Abs. 3 S. 1 des Medienstaatsvertrages (MStV), dass Werbung für Betrachter als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein muss. Ergänzt wird die Regelung durch § 5a Abs. 6 UWG, wonach derjenige unlauter handelt, der den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht – sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. 

Erstmals relevant wurde die Frage in der Influencer-Branche bei einem Rechtsstreit zwischen den Influencerinnen Cathy Hummels, Luisa-Maxime Huss und Leonie Hanne (Alle c.a. 1,7 Millionen Follower) und dem Verband Sozialer Wettbewerb e.V. Der Verband klagte die Influencerinnen an, da diese Instagram Posts mit sog. „Tap Tags“ versehen hatten, ohne diese als Werbung zu kennzeichnen. Unter Tap-Tags versteht man direkt-Verlinkungen auf Bildern, welche den Betrachter mit nur einem Mausklick auf die Internetseite der Unternehmen der dargestellten Produkte bringt. Der Verband sah durch das Fehlen der Werbe-Kennzeichnung einen eindeutigen Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten und gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.

Der BGH entschied daraufhin im September 2021, dass nicht alle Beiträge mit vorgestellten Produkten als Werbung gekennzeichnet werden müssen. Es müsse unterschieden werden, ob der Influencer eine Gegenleistung erhält oder nicht. Werben Influencer mit Produkten und erhalten eine Gegenleistung ist eine Werbekennzeichnung Pflicht. Ansonsten liegt eine verbotene Schleichwerbung vor.

Gesondert betrachtet werden müssten jedoch Beiträge, welche Produkte verlinken und dabei eine gewisse „Werblichkeits-Stufe“ nicht überschreiten.

Solche müssen nicht mit einer Werbe-Kennzeichnung versehen werden, so der BGH. Darunter fallen auch die „Tap Tags“.

Im Januar 2022 wurde eine weitere Unklarheit in dieser Fragestellung durch die Rechtsprechung des BGH geklärt: Auch die Online-Präsentation kostenlos zur Verfügung gestellter Waren und Dienstleistungen muss als Werbung gekennzeichnet werden. Dies begründete der BGH damit, dass unter Entgelt oder einer ähnlichen Gegenleistung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV neben Geld- oder Sachleistungen auch jede andere geldwerte Gegenleistung zu verstehen ist, weshalb eine Kennzeichnungspflicht gem. § 8 Abs. 3 S. 1 MStV auch hier bestehe.

Aktuell relevant wurde das Thema erneut mit dem neusten „Influencer-Urteil“ des OLG Frankfurt a.M., welches die Auffassung der Vorinstanz bestätigte und urteilte, dass Verlinkungen zu Unternehmen mittels Tap-Tags als Werbung zu kennzeichnen sind, sofern Influencer ein kostenlos überlassenes Produkt anpreisen. Mit dieser Entscheidung richtete sich das OLG nach der neuen Rechtsprechungslinie des BGH.

Auch in Zukunft werden weitere Urteile nötig sein, um den rechtlichen Rahmen des aufsteigenden Werbe-Marktes zu bestimmen.