31. August 2022Dr. Dierk Bredemeyer

LG Köln zu „Dooring-Unfällen“: kein Mitverschulden durch den Fahrradfahrer bei minimalem Abstand

(Urt. v. 02.08.2022, Az. 5 O 372/20)

Rund sieben Prozent der Unfälle, an denen PKW und Radfahrende beteiligt sind, wurden im Jahr 2017 in Berlin durch plötzlich geöffnete Autotüren verursacht. Das geht aus einer Studie der Unfallforschung der Versicherer hervor. Demnach führt etwa jeder Fünfte dieser Unfälle zu einer schweren Verletzung des Radfahrers. Sogenannte „Dooring“-Unfälle nehmen in Stadtgebieten vermehrt zu.

Das LG Köln hat nun entschieden, dass Fahrradfahrern in solchen Fällen die volle Schadensersatz-Summe durch den Autofahrer gezahlt werden muss, solange ausreichend Sicherheitsabstand gewahrt wurde. Ausreichend ist ein Sicherheitsabstand jedoch auch dann, wenn die Fahrertür nicht vollständig geöffnet werden kann.

Ein Rennradfahrer war an einem Parkenden Auto vorbeigefahren und wurde durch die Türöffnung des Fahrers schwer verletzt. Er hatte sich eine Rippe gebrochen, an der Schulter verletzt und multiple Prellungen an Schädel, Knien und Ellenbogen erlitten. Zudem war sein hochwertiges Rennrad beschädigt worden. Vor Gericht machte der Kläger klar, dass er aufgrund der Verletzungen in seinem Beruf eingeschränkt worden sei und zudem seinem freizeitmäßigen Leistungssport nicht mehr nachkommen könne. Daraufhin verlangte er Schadensersatz in Höhe von 100 % ohne eigenverantwortliche Abschläge.

Der Autofahrer und dessen Versicherung wollten jedoch nicht für mehr als 75 % des Schadens aufkommen und argumentierten, der Rennradfahrer hätte nicht ausreichend Sicherheitsabstand zum Auto und damit zu Fahrertür gehalten, wonach ihn ein Mitverschulden von 25 % treffe.

Das Gericht entschied, dass dem geschädigten Fahrradfahrer alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen sind. Außerdem müssten weitere 3.500 Euro Schmerzensgeld und weitere 1.089,29 Euro Schadensersatz für die Beschädigungen an dem Rennrad gezahlt werden.

Grund dafür war, dass der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass der Autofahrer den Unfall verschuldet hat, weil die Kollision im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Fahrertür erfolgte, so das Urteil. Das Gericht berief sich dabei auf § 14 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO), nach welcher sich der beklagte Autofahrer so verhalten müsste, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Ein Mitverschulden des Fahrradfahrers sei nicht anzunehmen, da der Vorwurf nicht genug Abstand zu halten nicht zutreffend sei. Das LG betonte, dass der Rennradfahrer keinen so großen Seitenabstand zum Fahrzeug einhalten muss, dass er selbst bei einer vollständigen Öffnung der Fahrertür nicht kollidieren würde. Der Fahrradfahrer müsse nicht mit einer so groben Unachtsamkeit von Seiten des Autofahrers rechnen, weshalb ihn auch bei überhöhter Geschwindigkeit kein Verschulden treffe.