10. Mai 2023Dr. Dierk Bredemeyer

LAG Schleswig-Holstein: dienstliche SMS müssen in der Freizeit nicht gelesen werden

(Urt. v. 27.09.2022, Az. 1 Sa 39 öD/22)

Eine Verpflichtung in der Freizeit dienstliche SMS oder E-Mails zu beantworten oder Anrufe des Arbeitgebers anzunehmen besteht nicht, so das LAG Schleswig-Holstein. Mit einer Dienstplanänderung, über die nach Feierabend per SMS informiert wird, muss der Arbeitnehmer demnach nicht rechnen, so das LAG weiter.

Im konkreten Fall wurde einem Notfallsanitäter nach Arbeitsschluss kurzfristig der Dienstplan für den Folgetag geändert. Über diese Änderung wurde er per SMS durch seinen Arbeitgeber informiert. Zudem konnte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz mehrfacher Versuche nicht telefonisch erreichen. Nachdem der Sanitäter am beklagten Tag zu den ursprünglich geplanten Zeiten seinen Dienst antrat und die Planänderung nicht berücksichtigte, wertete der Arbeitgeber die entgangene Zeit nach neuem Dienstplan als unentschuldigtes Fehlen und erteilte eine Abmahnung. Eine Abmachung über die Erreichbarkeit der eigenen Geräte in der Freizeit lag nicht vor.

Gegen die Abmahnung wehrte sich der Arbeitnehmer gerichtlich und unterlag vor dem Arbeitsgericht.

In der Berufung musste das Landesarbeitsgericht nun entscheiden, ob der Arbeitnehmer in seiner Freizeit auf die Mitteilung kurzfristiger Dienstplanänderungen am Folgetag reagieren muss.

Das LAG entschied zugunsten des Arbeitnehmers. Das Gericht führte aus, dass Dienstplanänderungen als solche vom Direktionsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich zwar gedeckt sind, der Arbeitgeber aber damit rechnen muss, dass der Arbeitnehmer die versendete Benachrichtigung erst mit Beginn des nächsten Dienstes zur Kenntnis nimmt, sollte diese ihn in seiner Freizeit erreichen. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und auch die in der Freizeit eingegangenen Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen.

Das Gericht wies darauf hin, dass sich sowohl aus dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers, als auch aus dessen Persönlichkeitsrechten ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit in der Freizeit ergibt: Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht“, hieß es vom Landesarbeitsgericht. 

Die Nachrichten des Chefs in der Freizeit nicht zu lesen und auf den geänderten Dienstplan zu reagieren, sei demnach nicht treuwidrig. Die Abmahnung war rechtswidrig.

Auf einen Blick

LAG: Keine Pflicht auf Erreichbarkeit für den Arbeitgeber in der Freizeit; aus Gesundheitsschutz und Persönlichkeitsrechten des Arbeitnehmers ergibt sich ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit; etwaige Änderungen oder Mitteilungen müssen demnach vor nächstem Dienstbeginn nicht zur Kenntnis genommen werden