24. Oktober 2022Dr. Dierk Bredemeyer

illegale Online-Casinos (1/2): Erstattung von Verlusten- Auslegung der Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB

(Beschl. v. 20.09.2022, Az. 18 U 538/22)

Wer in einem Online-Casino Geld verspielt hat, hat einen Anspruch auf Rückzahlung seiner Verluste. Dies gilt auch dann, wenn die Illegalität des angebotenen Glücksspiels bekannt war. Das OLG München entschied, dass die Ausschlussnorm § 817 S. 2 BGB teleologisch reduziert werden muss und trifft damit eine Leitentscheidung zur Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB.

Bis Juli 2021 galt in Deutschland ein Verbot für Online-Glücksspiel. § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag a.F. untersagte das Geschäft im Internet. Im Jahr 2011 erließ Schleswig-Holstein als einziges Bundesland ein Gesetz, welches das Online-Glücksspiel legalisierte. Dahingegen hielten die restlichen Bundesländer für weitere zehn Jahre an dem ursprünglichen und mittlerweile ausgelaufenen Vertrag fest.

Trotz des Verbotes sind eine Vielzahl von Online-Casinos im Internet präsent und es werden sämtliche Varianten des Glücksspiels angeboten – Slots, Roulette, Black Jack und vieles mehr. Dabei erfreut sich das Angebot immer größerer Beliebtheit. Die Anbieter können Milliardenumsätze aufweisen. Die Casinos fallen zudem durch massive Werbung in TV, Printmedien und dem Internet auf. Dies ist vor allem deshalb möglich, da die Anbieter in der Regel Lizenzen aus Malta, Gibraltar oder von der Isle of Man beziehen und sich darauf berufen, in der gesamten EU ihre Spiele anbieten zu dürfen. Die Aufsichtsbehörden lassen diese gewähren und setzen das bestehende Verbot faktisch nicht um.

Seit Juli 2021 ermöglicht der neue Staatsvertrag den Länder künftig Lizenzen auch für Online-Casinos und Co auszustellen.

Für Nutzer, die bei illegalen Online-Glücksspiel Geld verloren haben, bleibt die Frage, ob dieses, aufgrund der Illegalität des digitalen Spielangebotes auf dem Rechtsweg zurückgefordert werden kann.

Grundsätzlich regelt das Bereicherungsrecht in § 817 S. 2 BGB, dass jemand der ein sittenwidriges oder gesetzlich verbotenes Angebot in Anspruch nimmt, später sein Geld nicht zurückbekommt. Derjenige, der ein illegales Glücksspiel in Anspruch nimmt, müsste demnach leer ausgehen.

Das OLG München distanzierte sich in seiner Entscheidung jedoch von dem Grundsatz und trifft damit eine wegweisende Entscheidung zum Online-Glücksspiel: Ein Spieler erhält seine Verluste zurück, egal ob er von der Illegalität des Angebots wusste.

Die sogenannte Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB müsse, so das OLG, in Konstellationen, „in denen ein Ausschluss der Rückforderung nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar wäre“ von vornherein außer Anwendung bleiben. „Dies ist dann der Fall, wenn – wie hier – die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen“, heißt es in dem Beschluss.

Besonders bei Online-Casinos sei das Argument relevant, dass mit der Anwendung der verspielte Einsatz dauerhaft beim illegalen Glücksspielanbieter verbleiben würde. Ein Verbot würde dadurch durch die Glücksspiel-Anbieter umgangen werden und Online-Glücksspiel wäre faktisch toleriert.

Trotz der Neuerungen in der Rechtssprechung folgt das OLG München mit seinem Urteil der Rechtsprechungslinie. So entschied das OLG Frankfurt am Main im Mai 2022, dass auch Ausländische Glücksspielanbieter einem Spieler seine Verluste zurückzahlen muss.

Das OLG hat keine Revision zugelassen. Auch eine Nichtzulassungsbeschwerde ist für den Glücksspielanbieter ausgeschlossen. Letztlich bleibt die Thematik weiter relevant und nur eine Entscheidung des BGH, in einem anderen Fall, wird endgültig Rechtsklarheit schaffen.

Auf einen Blick

Online-Casinos bis 2021 illegal; OLG bei Verlusten bei Online-Glücksspiel: Kondiktionssperre nicht anwendbar, da Geld sonst bei illegal betriebenen Casinos bleibt und Sinn der Sperre aufgehoben wird; Grundsätzlich besteht somit ein Rückzahlungsanspruch, trotz Wissen über die Illegalität.