21. Mai 2022Dr. Dierk Bredemeyer

BVerfG: Einrichtungsbezogene Impfpflicht verfassungskonform

(Beschl. v. 27.04.2022, Az. 1 BvR 2649/21)

Die Verpflichtung zur Vorlage eines Nachweises einer Corona-Schutzimpfung für Personal in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen verstößt nicht gegen die Verfassung, so das BVerfG im Hauptverfahren einer Verfassungsbeschwerde.

Bereits im Eilverfahren im Februar 2022, bevor die entsprechende Regelung des § 20 a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 IfSG in Kraft trat, wies das Verfassungsgericht das Eilverfahren der Verfassungsbeschwerde als unbegründet ab und bestätigte die Regelung vorläufig. Aufgrund grundlegender Bedenken bzgl. einer formellen Regelung wurde die Verfassungsbeschwerde jedoch im Hauptverfahren weiter behandelt.

Nach § 20 a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 IfSG sind Personen, die in bestimmten gesundheits- und Pflegeeinrichtungen tätig sind, verpflichtet, einen Nachweis der Impfung gegen das Coronavirus beim Arbeitgeber vorzulegen. Diese Regelung, welche zum 15. März in Kraft trat, sieht vor, dass jede Nichtvorlage eines solchen Impfnachweises mit einer Meldung beim Gesundheitsamt und eines unverzüglich ausgesprochenen Tätigkeitsverbots geahndet wird. Auch Bußgelder können durch diese Vorschrift verhängt werden.

Die Beschwerdeführerin sah ein deutliche Eingriffe in ihre Berufsfreiheit, sowie in ihre körperliche Unversehrtheit und sah sich deshalb in ihren Grundrechten verletzt.

Bereits im Eilverfahren äußerte auch das BVerfG verfassungsmäßige Bedenken in Bezug auf die Definition des vorzulegenden Impfnachweises. Bei der Frage nach den konkretisierenden Anforderungen an ein Impfnachweis wurde indirekt auf die Website des Paul-Ehrlich- Instituts und die des Robert-Koch-Instituts verwiesen. Im Hauptverfahren sollte nun geklärt werden, ob ein solcher konkretisierender Verweis auf eine Website in einem Bundesgesetz verfassungskonform und zulässig ist.
Noch während des laufenden Verfahrens wurde jedoch der Gesetzgeber tätig und änderte den konkretisierenden Verweis, sodass seit dem 19. März nun nicht mehr eine Website, sondern eine gesetzliche Vorschrift die Anforderungen an den Impf- und Genesenennachweis regelt. Da das konkrete Rechtsschutzbedürfnis nun nicht mehr fort bestehe, käme es auch auf diese Frage, ob eine solcher Verweis zulässig ist nicht mehr an, so das BVerfG in der Pressemitteilung des Hauptverfahrens sinngemäß.

Grundlegend liege durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht zwar ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, sowie in die Berufsfreiheit vor, diese Eingriffe seien jedoch durch den legitimen Zweck, dem Schutz vulnerabler Menschen gerechtfertigt, so das BVerfG weiter.

Der Eingriff sei auch geeignet, da eine deutliche fachliche Mehrheit davon ausgehe, dass sich eine geimpfte oder eine genesene Personen seltener infiziert und daher das Virus auch seltener übertragen wird.

Außerdem betonte das BVerfG in Bezug auf die Berufsfreiheit, dass für Personen wie das Reinigungs- oder Küchenpersonal grundsätzlich ein Berufswechsel an Orte ohne Impfungsvorraussetzung möglich ist. Für Ärzte und Pflegekräfte ist das zwar nicht möglich, der Eingriff sei aber zum Schutz vulnerabler Menschen gerechtfertigt.

Ein solches Urteil wurde nach der Entscheidung im Eilverfahrens erwartet und galt als sicher. Lediglich die Frage, ob die nach dem Eilverfahren neu aufgetretene Omikronvariante des Coronavirus mit deutlich milderen Verläufen den Maßstab der Geeignetheit ändern würde blieb ungewiss. Das BVerfG machte jedoch klar, dass auch die Ausbreitung der Omikronvariante diese Prognose nicht erschüttere.

Auf einen Blick

BVerfG: einrichtungsbezogene Impfpflicht; verfassungskonform, da Eingriffe in körperliche Unversehrtheit und Berufsfreiheit gerechtfertigt sind; Rechtfertigung aufgrund legitimen Ziels (Schutz vulnerabler Menschen) und geeignetheit der Maßnahme. Auch Ausbreitung der Omikron Variante ändert an diesem Maßstab nichts;