22. August 2023Dr. Dierk Bredemeyer

BGH: Verbraucherwiderrufsrecht bei Handwerkerleistungen

BGH, Urteil vom 06.07.2023 - VII ZR 151/22 

Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Abs. 1 BGB besteht trotz gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB nicht, wenn der Verbraucher ein vom Unternehmer am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt. Nach Ansicht des BGH steht die räumliche und zeitliche Zäsur dem Widerrufsrecht entgegen.

Im zugrundeliegenden Fall beauftragten zwei Hauseigentümer einen Dachdeckerbetrieb mit der Erneuerung von Dachrinnen und Abdichtungsarbeiten. Im Zuge dieser Arbeiten wurde durch einen Mitarbeiter des Bauunternehmens ein defekter Wandanschluss am Haus bemerkt. Der Mitarbeiter machte die Eigentümer auf den Defekt aufmerksam und unterbreitete ein zusätzliches Angebot für die Geschäfts-unabhängige Reparatur. Das Angebot wurde durch die Auftraggeber angenommen. Nachdem die Arbeiten mangelfrei ausgeführt wurden und der in Rechnung gestellte Betrag vollständig beglichen wurde, widerriefen die Eigentümer beide Aufträge schriftlich. Bei einem anschließenden Treffen überreichte einer der Auftraggeber einem Handwerker einen Flyer, der mit „Der Handwerker-Widerruf – Schützen Sie sich vor unseriösen Handwerkern“ überschrieben war, und erklärte, dass er daraus ein neues Geschäftsmodell entwickelt habe.

Vor Gericht begehrten die Hauseigentümer die Rückzahlung der für beide Aufträge entrichteten Vergütung. Den Rückzahlungsauslösenden Widerruf stützten sie dabei auf das in § 312g BGB gewährte Verbraucherwiderrufsrecht wegen eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages i.S.d. § 312b BGB.

Das erstinstanzliche Amtsgericht wies die Klage als rechtsmissbräuchlich zurück. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht das amtsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten zur Rückzahlung der für den Zusatzauftrag gezahlten Vergütung verurteilt.

Der BGH verneinte nun letztinstanzlich das Vorliegen eines Widerrufsrechts und hob das Urteil des LG auf. Dabei rügte das Oberste Gericht die fehlende Beachtung der zeitlich und räumlichen Zäsur zwischen Angebot und Annahme des LG im Zuge der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO. Die vom LG missachtete Tatsache, dass der Dachdecker die zusätzlichen Arbeiten beim Ortstermin anbot und der Auftrag erst am Folgetag telefonisch durch den Auftraggeber erteilt worden ist, führt, nach Ansicht des BGH, zum Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 1 BGB. Nach der Würdigung der Karlsruher Richter fehlt es hierbei bereits an einem schutzbedürftigen, außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag i.S.d. § 312b Abs. 1 BGB, da ein solcher nur bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort vorliegt. Maßgebend sei dabei der Zeitpunkt des endgültigen Vertragsschlusses, nicht der Zeitpunkt einer der beiden Vertragserklärungen. 

In seiner Begründung griff der BGH sowohl auf den Wortlaut des § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB als auch auf den Schutzzweck der Norm zurück. Sinn und Zweck der Norm sei es, den Verbraucher vor Vertragsabschlüssen mit Druck- oder Überraschungssituation zu schützen. Durch die verstrichene Zeit zwischen Angebot und Annahme läge eben gerade keine solche schutzwürdige Drucksituation vor, weshalb ein Widerrufsrecht nicht erforderlich sei.

Das Urteil zeigt, dass auch das an sich verbraucherfreundliche Widerrufsrecht seine Grenzen hat. 

Auf einen Blick

BGH zu Handwerkerwiderrufsrecht: Verbraucher nicht durch Widerrufsrecht schutzbedürftig, wenn zwischen Angebot und Annahme ausreichend Bedenkzeit liegt; hier liegt keine Überrumpelungssituation vor. Dem Verbraucher kommt deshalb kein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zu.