12. Februar 2025Dr. Dierk Bredemeyer

BAG: Zulässige Dauer einer Probezeit bei einem befristeten Arbeitsverhältnis – zum neuen Verhältnismäßigkeitserfordernis des § 15 III TzBfG

BAG, Urteil vom 05.12.2024 - 2 AZR 275/23

Mit seinem Urteil vom 05.12.2024 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Vereinbarung einer Probezeit, die der Gesamtdauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses entspricht, unverhältnismäßig und unwirksam ist. Das Arbeitsverhältnis kann daher nicht unter Berufung auf die Probezeit mit einer verkürzten Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung mit der regelmäßigen, unverkürzten  Kündigungsfrist von vier Wochen soll aber trotz Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung weiterhin möglich sein.

Mit seinem Urteil konturiert das BAG die in § 15 III Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vorausgesetzte Verhältnismäßigkeit der Probezeit im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit, ohne der Praxis einen belastbaren und handhabbaren Richtwert zur Verfügung zu stellen. 

Im zugrundeliegenden Fall stellte ein Autohaus einen Kfz-Meister für sechs Monate befristet ein. Dabei wurde vertraglich eine Probezeit von ebenfalls sechs Monaten vereinbart, während der das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 2 Wochen schriftlich gekündigt werden kann. Nach knapp zwei Monaten sprach das Autohaus dem Arbeitnehmer eine Kündigung mit einer Frist von zwei Wochen aus. Gerichtlich wandte sich dieser gegen die Kündigung. Gestritten wurde insbesondere über den Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis beendet werden konnte.

Grundsätzlich kann ein Arbeitsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen gekündigt werden, § 622 I BGB. Eine Ausnahme gibt es, wenn eine Probezeit vereinbart wurde: hier kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden, § 622 III BGB. Vor Inkrafttreten des § 15 III TzBfG gab es für die Wirksamkeit einer Probezeit außer einer Höchstdauer von sechs Monaten, die nicht überschritten werden darf, keine weiteren Voraussetzungen. Vornehmlich eine Beschränkung dahingehend, dass eine Probezeit nur so lange dauern darf, wie dies zur Erprobung für die betreffende Tätigkeit erforderlich ist, wurde durch das BAG mehrfach höchstrichterlich abgelehnt.

Seit der Reform des TzBfG im Jahr 2022 gilt allerdings eine neue Regelung für Probezeiten in befristeten Arbeitsverhältnissen, die eine weitere Voraussetzung statuiert. Nach § 15 III TzBfG muss die vereinbarte Probezeit jetzt in einem „angemessenen Verhältnis“ zur erwarteten Dauer der Befristung und zur Art der Tätigkeit stehen. Hintergrund der Reform ist die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts und zur Übertragung von Aufgaben an die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. § 15 III TzBfG soll insbesondere Art. 8 II der Richtlinie umsetzen, der die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die „Probezeitdauer im Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags und der Art der Tätigkeit steht“. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen soll die Höchstfrist von sechs Monaten nicht mehr pauschal ausgeübt werden dürfen.

Da im vorliegenden Fall § 15 III TzBfG noch vor Abschluss des Arbeitsvertrags in Kraft getreten war, musste das BAG nun entscheiden, ob eine sechsmonatige Probezeit in einem angemessenen Verhältnis zu der sechsmonatigen Befristung steht.

Problem ist nur, dass weder § 15 III TzBfG noch die zugrundeliegende Richtlinie des Europäischen Parlaments konkrete Vorgaben dazu machen, in welchem Verhältnis Probezeitdauer und Befristungsdauer stehen müssen, also welche absolute oder relative Dauer einer Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis zulässig ist. Die Unbestimmtheit der unionsrechtlichen Vorgaben hat auch der deutsche Gesetzgeber bei seiner Umsetzung erkannt, sich aber nicht zu einer näheren Ausgestaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 15 III TzBfG entschließen können, weshalb sich auch aus der Gesetzesbegründung keine Angaben ergeben.

In der Literatur werden verschiedene Richtwerte diskutiert, bei denen eine Verhältnismäßigkeit noch als gegeben angesehen werden: Teilweise wird eine Probezeitdauer von 50% im Verhältnis zur Befristungsdauer bis hin zu maximal sechs Monaten als angemessen erachtet, wobei im Einzelfall Abweichungen in beide Richtungen aufgrund der Art der Tätigkeit möglich sein sollen.

Teilweise wird auch nur eine Probezeit von bis zu 25 % als Grenze des Zulässigen erachtet.

Im ersten Fall wäre eine sechsmonatige Probezeit bei einer einjährigen Befristungsdauer zulässig. Hierfür wird Erwägungsgrund 28 S. 4 der Richtlinie ins Feld geführt, wonach bei einer Befristungsdauer von bis zu 12 Monaten die Probezeitdauer verhältnismäßig sein soll. Es wäre sinnwidrig, in dieser Konstellation nur 25 % der Befristungsdauer als zulässige Probezeit anzusehen, da dann ab einer Befristung von einem Jahr und einem Tag sofort der Sprung auf eine sechsmonatige Befristung zulässig wäre. Daher erscheint der sukzessive Anstieg auf bis zu sechs Monate bei einjähriger Befristung sachgerechter (vgl. Becker, GWR 2022, 231).

Das BAG diskutierte die verschiedenen Ansichten zwar, sah es allerdings nicht als entscheidungserheblich an, einen Maßstab festzusetzen. Vielmehr argumentierte es, der Wortlaut des § 15 III TzBfG sehe vor, dass die Probezeitdauer „im Verhältnis“ zur Befristungsdauer stehen muss. Dies lasse allein eine Auslegung zu, wonach die Probezeit – unabhängig von der Art der Tätigkeit – nur einen Teil der Befristung, nicht aber ihre gesamte Dauer umfassen kann. Eines „Ins-Verhältnissetzen“ von Probezeitdauer zur Befristungsdauer bedürfte es nicht, wenn beide gleich lang sein könnten.  Damit sei eine zu lange Probezeit vereinbart worden, was die Vereinbarung unwirksam mache.

Zwar umgeht auch das BAG die Frage nach dem konkreten Verhältnis, womit der Praxis weiterhin ein handhabbarer Richtwert fehlt und Arbeitgeber gewissen Risiken bei der Festlegung der Probezeit ausgesetzt sind. Allerdings sind diese Risiken bezogen auf die Probezeit im Sinne von § 622 II BGB noch überschaubar, da nach Ansicht des BAG im Falle einer unwirksam vereinbarten Probezeit nur die etwas verlängerte Kündigungsfrist gem. § 622 I BGB gilt und die Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung nicht nach § 139 BGB zum Wegfall der Kündbarkeit des Vertrags führt. Denn es könne zumindest dann gekündigt werden, so das BAG, wenn die darauf bezogene Vereinbarung neben der Probezeitabrede getroffen wurde. Da diese Abrede für beide Vertragsparteien auch weiter Sinn mache, sei nicht anzunehmen, dass sie nicht ohne die Probezeit vereinbart worden wäre.

Auf eine schärfere Konturierung des Verhältnisses, insbesondere mit einer Konkretisierung der schwer kalkulierbaren Variabel der maßgeblichen „Art der Tätigkeit“ bleibt zu warten.

Auf einen Blick

Vereinbarung einer Probezeit, die der Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses entspricht, ist unverhältnismäßig und unwirksam: nach § 15 III TzBfG muss Probezeit in einem „angemessenen Verhältnis“ zur Befristungsdauer und Art der Tätigkeit stehen. Dies dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1152, insb. Art. 8 II. Zwar keine konkreten Vorgaben für das Verhältnis, aber eine Probezeit kann nur „im Verhältnis“ zur Befristungsdauer stehen, wenn die Probezeit – unabhängig von der Art der Tätigkeit – nur einen Teil der Befristung, nicht aber ihre gesamte Dauer umfasst.

  • Kollegin/Kollege gesucht

    Wir suchen ab sofort Teilzeit oder Vollzeit eine/n (m/w/d) Rechtsanwältin/Rechtsanwalt zur Verstärkung unseres Teams.

    Interessiert? Mehr dazu …

  •