26. August 2024Dr. Dierk Bredemeyer

BAG: Körperreinigungszeiten können als Arbeitsleistung zu vergüten sein

BAG, Urteil vom 23.04.2024 - 5 AZR 212/23

Körperreinigungszeiten gehören ebenso wie Umkleide- und Wegezeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, sofern sich der Arbeitnehmer während seiner Tätigkeit so stark verschmutzt, dass ihm das Anziehen von Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne vorherige Körperreinigung im Betrieb nicht zugemutet werden können. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil klargestellt und damit erstmals die Abgrenzung zwischen vergütungspflichtigem Duschen und Duschen als private Tätigkeit innerhalb des Betriebs höchstrichterlich geklärt.

Im zugrunde liegenden Fall stritten eine Speditionsfirma und ein bei ihr seit 2018 angestellter Containermechaniker über die Vergütung von Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten. Der Mechaniker, der rostige und beschädigte Stellen an Containern abschleift und nachlackiert, trägt dafür vom Arbeitgeber gestellte Schutzkleidung. Nur mit ihr ist er vor etwaigen Verschmutzung durch die Schleif- und Lackierarbeiten geschützt. Weil die Zeit des Umkleidens und Reinigens nicht in seiner elektronischen Zeiterfassung berücksichtigt wird, verlangte der seit 2018 beschäftigte Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Nürnberg eine Vergütung für diese Zeiten i. H. v. 18.242,56 € brutto von Januar 2017 bis August 2020 für je 55 Minuten arbeitstäglich. Die Arbeitgeberin wies die Forderung zurück und wandte ein, die geltend gemachten Zeiten seien eine vergütungspflichtige Arbeitszeit und im Übrigen überzogen.

Erstinstanzlich entschied das ArbG zugunsten des Arbeitnehmers und bejahte eine generelle Vergütungspflicht für die fremdnützige Tätigkeit des Umkleidens in seiner Fallkonstellation. Dabei sprach das Gericht dem klagenden Arbeitnehmer jedoch mit 5 Minuten zu Schichtbeginn, 5 Minuten zu Schichtende und einer zusätzlichen Reinigungszeit von 10 Minuten weniger vergütungspflichtige Zeit zu, als beantragt.

Wie auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg im Berufungsverfahren, nimmt auch das BAG in der Revision an, dass eine Vergütung für Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten gemäß § 611a Abs. 2 BGB dem Grunde nach in Betracht komme.

Dabei führt es aus, dass zu der im Dienste eines anderen erbrachten Arbeitsleistung i. S. v. § 611a 19 Abs. 1 BGB nicht nur die eigentliche Tätigkeit zähle, sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspreche die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. Arbeitszeit erfasse somit jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung fremder Bedürfnisse dient.

Zum Wechsel der Dienstkleidung, der auf einer entsprechenden Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung beruht, führte das ArbG – wie bereits in vorherigen Entscheidungen – aus, dass der verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers lediglich fremdnützig sei und daher als Arbeitszeit zu vergüten ist. Ähnliches gelte für die Wegzeit des Arbeitnehmers vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz, da dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit zukomme, die Arbeitskleidung am Arbeitsplatz an- und abzulegen, sondern er dafür den räumlich getrennten Umkleideraum aufsuchen müsse.

Mit bisher neuer Argumentation stellte das BAG nun für die Vergütungspflicht von Körperreinigungszeiten fest, dass diejenigen Zeit, die Arbeitnehmer benötigen, um sich vor und/oder nach Erbringung der Arbeitsleistung zu reinigen, nur als Arbeitszeit anzusehen ist, wenn sie „mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt und deshalb ausschließlich der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient.“

Von einem solchen unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlichen Arbeitsleistung sei zunächst auszugehen, wenn die Körperreinigung durch den Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet wird oder wenn zwingende arbeitsschutzrechtliche Hygienevorschriften eine solche verlangen. Körperreinigungszeiten gehören aber auch dann zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause – sei es durch Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs oder durch Nutzung eines eigenen Fahrzeugs – ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden könne, so das BAG weiter. Eine „übliche Verunreinigung“ oder die Beseitigung von Schweiß und Körpergeruch reiche dafür nicht aus.

Der zugrundeliegende Fall wurde vom BAG an die Tatsacheninstanz, das LArbG zurückverwiesen, um die für eine Schätzung der Umkleide- und fremdnützigen Körperreinigungszeiten notwendigen Tatsachen festzustellen.

Auf einen Blick

BAG: Arbeitsleistung i. S. v. § 611a 19 Abs. 1 BGB nicht nur eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt; Körperreinigungszeiten ebenso wie Umkleide- und Wegezeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit, sofern sich der Arbeitnehmer während seiner Tätigkeit so stark verschmutzt, dass ihm das Anziehen von Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne vorherige Körperreinigung im Betrieb nicht zugemutet werden kann