31. Juli 2023Dr. Dierk Bredemeyer
BAG, Urteil vom 30.03.2023 - 8 AZR 120/22
Verstößt eine GmbH gegen ihre Verpflichtung aus § 20 MiLoG ihren Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen, so besteht kein persönlicher Haftungsanspruch gegen den Geschäftsführer der GmbH, so das BAG. Auch die den Geschäftsführer persönlich betreffenden bußgeldrechtlichen Vorschriften stellen kein Schutzgesetz dar und begründen keinen persönlichen Schadenersatzanspruch.
Im vorliegenden Fall streiten die Parteien darüber, ob die Beklagten als Geschäftsführer der vormaligen Arbeitgeberin der Klägerin zur Schadensersatzzahlung wegen unterbliebener Vergütungszahlung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns von rund 1.600 Euro persönlich verpflichtet sind. Die Klägerin hatte in den Monaten Juni und Juli 2017 an 22 Arbeitstagen keinen Lohn erhalten. Im November desselben Jahres wurde über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet.
Nach Ansicht der Klägerin eröffne die bußgeldbewehrte fahrlässige oder vorsätzliche Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns in Verbindung mit dem Zuweisungsgrundsatz aus § 9 OWiG einen „direkten Zahlungsanspruch“ gegen die Beklagten.
Sowohl das erstinstanzliche ArbG Gera als auch das LG Thüringen verneinten einen persönlichen Schadensersatzanspruch der Geschäftsführer.
Nun wies auch das BAG die Klage im Revisionsverfahren als unbegründet ab.
Wie § 43 Abs. 2 GmbHG normiert, ist die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt. Außenstehenden Dritten haften Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich. Vielmehr ist die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Ein Geschäftsführer einer GmbH haftet deshalb nur dann persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben ist.
Nach Wertung des BAG ist ein solcher vorliegend nicht gegeben. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB scheide vorliegend aus, wenngleich der Geschäftsführer in Einzelfällen nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG bußgeldrechtlich verantwortlich gemacht werden kann. Grund dafür ist der mangelnde Individualschutzgehalt des Bußgeldtatbestandes zugunsten der Arbeitnehmer der Gesellschaft im Verhältnis zum Geschäftsführer.
Die Annahme eines Individualschutzes im Sinne eines Schutzgesetzes würde dazu führen, dass Geschäftsführer bereits bei nur (leicht) fahrlässiger Verwirklichung des Bußgeldtatbestands nach § 823 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch genommen werden könnten. Eine daraus resultierende zivilrechtliche Haftung der für den Arbeitgeber handelnden Organe ist nach Ansicht des BAG nicht mit der gesetzlichen Haftungsverteilung vereinbar.
Auch in einem Parallelverfahren (Urteil vom 30.03.2023, Az.: 8 AZR 199/22) kamen das BAG zum selben Ergebnis.